Turmuhren
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Die erste schriftliche Erwähnung einer Räderuhr in der Literatur findet man in der „Göttlichen Komödie“ (ca. 1320) von Dante Alighieri (1265 – 1321):
Wie, wohlgefügt, der Uhren Räder tun –
in voller Eil’ zu fliegen scheint das letzte,
das erste scheint, wenn man’s beschaut, zu ruhn.
Also verschieden in Bewegung setzte
sich jeder Kreis, drob, wie er sich erwies,
schnell oder träg’, ich seinen Reichtum schätzte.
Drauf wie ein Uhrwerk, das uns weckt zur Stunde,
wo sich die Gottesbraut erhebt vom Lager,
zum Gruß des Bräutigams, dass er sie liebe.
Das jetzt ein Rädchen zieht, ein andres antreibt.
Sein ,Tintin‘ läutend in so holder Weise,
dass frohgestimmt der Geist von Liebe anschwillt.
Das Uhrwerk, das der infernalische Dichter bestaunte, tickte wahrscheinlich in der Kirche Santo Eustorgio in Mailand. Diese hatte 1309 eine „eiserne Uhr“ bekommen. (Zeichnung von 1461 des Astrariums von Giovanni de Dondi (1364) als Beispiel einer Uhr aus dem 14. Jahrhundert)
Die Ende des 13. Jahrhunderts erfundene mechanische Räderuhr hatte als Türmeruhr zunächst die Aufgabe, dem Turmwächter den Ablauf der Stunden anzuzeigen, damit dieser die entsprechende Uhrzeit an einer Glocke anschlagen konnte. Ihre Errichtung finden wir in Italien: 1307 in Orvieto, 1336 in Mailand oder 1344 in Padua. Die ältesten noch erhaltenen finden wir in den Kathedralen von Salisbury 1386 und Wells 1392 in England. Sie hatten Gewichtsantrieb und Schlagwerk. Bald konnten sie auch mit einem Zifferblatt nach außen der Bevölkerung die Zeit anzeigen, als die Uhr noch kein Allgemeingut war.
Ab dem 14. Jahrhundert dienten diese Uhren mit ihren Schlagwerken auch in vielen Gemeinden zum Anzeigen des Öffnens und Schließens der Stadttore, Beginn und Ende der Marktzeiten sowie der Rats- und Gerichtssitzungen. Viele dieser Uhren hatten auch sehr aufwändige astronomische oder astrologische Indikationen sowie Figurenautomaten, auch Jacquemarts genannt. Beispiele: 1352 Straßburger Münster, 1356 das Nürnberger Männleinlaufen, die Ulmer Rathausuhr, der Berner Zeitglockenturm etc.
Die ersten Turmuhren hatten noch Waagbalken und Spindelhemmungen und erst ab dem 17. Jahrhundert Pendel. Als Antrieb nahm man schwere Steine und später Gewichte an Seilen. Sie mussten entweder täglich, alle drei Tage oder später alle 8 Tage aufgezogen werden. Zunächst geschah dies mit Handrädern, später mit Kurbeln. Erst ab den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Elektromotoren zum Aufziehen verwendet. Mit der Zeit wurden die Werke immer mehr verbessert und verkleinert oder sogar mit Synchronmotoren versehen. Heute haben diese Uhren meistens nur noch sekundengenaue Taktgeber oder werden funkferngesteuert.
Auf der nächsten Seite finden Sie das Video einer Turmuhr von ca. 1530:
Beschreibung:
Die Turmuhr (ca. 1530) mit Waaghemmung wurde um 1750 umgebaut (modernisiert auf Ankerhemmung und Sekundenpendel) und im Jahr 2012 wieder zurückgebaut. Nach dem Rückbau hat die Uhr wieder Waaghemmung mit Gewichten, Spindel und Steigrad auf der ursprünglichen Ankerwelle, alle Teile sind aus geschmiedetem Eisen. Die Taktzeit für eine volle Schwingung beträgt 4 Sekunden. Die Uhr ist auf einem sehr alten Eichengestell aufgebaut – möglicherweise ist dies die Originalkonsole der Uhr – und hat einen gesteckten Eisenrahmen (geschmiedetes Flacheisen). Gehwerk und Stundenschlagwerk sind in alter Kopf an Kopf Bauweise mit geschmiedeten und gefeilten Eisenrädern und Hohltrieben (Laternentrieb) und vierkantig geschmiedeten Eisenwellen ausgeführt. Der Aufzug läuft über Kurbel und einen verschiebbaren Hohltrieb (Kupplung) auf ein mit der hölzernen Seiltrommel verbundenes Stirnzahnrad. Das Schlagwerk hat eine innen verzahnte Schlossscheibe mit großem Windflügel. Das Ankerrad hat 28 Zähne, der Antrieb 72 Zähne, das Zwischenrad links 63 Zähne, der Aufzug über Stirnrad hat eine außen liegende Aufzugswelle. Ein Zeigerwerk existiert nicht, es handelt sich um eine reine Schlagwerksuhr. Bei der Restaurierung wurden die Gewichte nach alten Mustern aus Sandstein ergänzt.
Da in den Anfängen der Räderuhren überwiegend nur die Tagesstunden von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang (die Arbeitszeit) von Interesse waren, musste man berücksichtigen, dass die zwölf Tagesstunden unterschiedlich lang waren. Die Gewichte an den Waagbalken wurden der Jahrszeit entsprechend entweder nach innen (schneller – Winter) oder nach außen (langsamer – Sommer) geschoben.
Da Astronomen den Sonnenhöchststand immer genauer bestimmen konnten - im Gegensatz zu Sonnenauf- und Sonnenuntergang -, wurden der Tag schließlich auf 24 Stunden und der Mittag auf 12 Uhr festelegt.